Frage:
An unserer Schule haben wir einen hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund. Es entstehen oft Konflikte zwischen den einzelnen Schülergruppen. Für eine nachhaltige Konfliktlösung bleibt oft nicht genügend Zeit und Geduld seitens der Lehrkräfte. Ich würde mir im Vorfeld schon zur Prävention Maßnahmen wünschen, die diese Konflikte gar nicht erst so eskalieren lassen. Haben Sie Vorschläge oder Ideen, wie ich das gemeinsam mit dem Kollegium erarbeiten kann?
Antwort:
Sehr geehrte Frau Hannes,
Konflikte zwischen Gruppen sind sehr selten ausschließlich auf unterschiedliche kulturelle Wurzeln zurückzuführen. Nach meiner Erfahrung ist es eher eine Gefahr als hilfreich, wenn die Konfliktentstehung kulturalisiert wird, anstatt sie auf der Basis ihrer individuellen Hintergründe in den Blick zu nehmen.
Zur Prävention hinsichtlich der Entstehung von Konflikten seitens der Lehrkräfte halte ich in einem multikulturellen schulischen Umfeld ein klares gemeinsames Wertesystem für hilfreich, in dem allen gemeinsam bekannt ist, dass Konflikte zwischen Einzelnen und zwischen Gruppen friedlich nach klaren Regeln ausgetragen werden. Der wertschätzende Umgang seitens der Lehrkräfte mit allen Schülerinnen und Schülern ist meines Erachtens die notwendige Grundlage, um friedensstiftende Werte zu vermitteln.
In dem Berufskolleg, in dem ich Interkulturelles Konfliktmanagement hauptsächlich durchgeführt habe, haben wir meist in den Klassenteams Spannungen zwischen Gruppen besprochen und darauf aufbauend, wenn viele beteiligt waren, mit einer ganzen Klasse beispielsweise einen Vormittag zum Thema "Konflikte lösen ohne Gewalt" gestaltet, wo wir dann "Aktives Zuhören" trainierten, über Verletzungen von Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen - miteinander redeten mit dem Ziel, dass alle wahrnehmen lernen, dass sich Konflikte ohne Gewalt lösen lassen. Hierzu haben wir miteinander Regeln der Gesprächsführung wie "Offenheit, Ehrlichkeit, Vertraulichkeit" und das "Unterlassen von Unterstellungen, Beleidigungen und Beschimpfungen" festgelegt. Dabei konnten die Gespräche in unterschiedlichen Besetzungen geführt werden:
1. Die Streitenden ohne schlichtende Person und 2. Die Streitenden mit Streitschlichter, der im besten Falle eine Streitschlichterausbildung absolviert hat.
Generell ist die Ausbildung von Streitschlichterinnen und Streitschlichtern nach meiner Erfahrung durch den Besuch vieler Schulen (Haupt-, Real-, Gesamtschulen und Gymnasien sowie Förderschulen) oft eine gute Grundlage, über Multiplikatoren in der Schülerschaft friedliche Konfliktlösungsmethoden zu vermitteln. Gleichaltrige sind eher als Gesprächspartner auf Augenhöhe akzeptiert als Mitglieder der Lehrerschaft.
Sollten bestimmte religiöse oder kulturelle Ideale die Konflikte an Ihrer Schule auslösen, kann auch eine Netzwerkanalyse Sinn machen. In welchen Umfeldern bewegen sich die Angehörigen der jeweiligen Gruppen außerhalb der Schule? Gibt es Zeichen, Symbole ..., die Rückschlüsse zulassen? Wer aus den jeweiligen Gruppen wäre bereit, die Gründe für die Konfliktentstehung zu nennen?
In jedem Fall sind echtes Interesse zu verstehen, was die einzelnen Gruppenmitglieder aufregt, von großer Bedeutung. Hinzu kommt - in meinen Augen genauso wichtig - der Perspektivwechsel, sich in die Beteiligten hineinzuversetzen und die Stolpersteine, die Aggressionen schüren, aufzuspüren und möglichst miteinander auszuräumen.
Das Allerwichtigste in meiner Wahrnehmung ist das Schaffen einer Schulkultur, in der alle eingeladen sind, sich zu beheimaten und nicht nur Leistung zu bringen.
Sollten Sie Interesse an konkreten Methoden haben, wie sich Perspektivwechsel üben lässt, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung! Zu einem Einüben der Methoden des Interkulturellen Konfliktmanagements empfehle ich einen gemeinsamen Lehrerfortbildungstag.
Kommentar:
Heike Hannes
Schulleiterin an einem Gymnasium, Berlin
Vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort. Ich bin sicher, dass ich mit Hilfe Ihrer konkreten und praxiserprobten Tipps schnell zu ersten Erfolgen kommen werde!